Was ist E-Voting?

…und wo liegen die Probleme?

Mit E-Voting (engl. für „elektronische Wahlen“) ist jene Wahlmethode gemeint, mit der Stimmen auf elektronischem Weg repräsentiert oder gesammelt werden können. Arten von elektronischen Wahlen reichen von Internetwahlsystemen, über Wahlcomputern bis hin zu optischen Scannern und Zählprogrammen, die die Papierstimmzettel automatisiert auswerten.

Die Wahlrechtsgrundsätze sind in der Verfassung verankert und besagen, dass jeder österreichische Bürger oder jede Bürgerin das Recht auf eine allgemeine, freie, gleiche, persönliche, unmittelbare und geheime Ausübung seines / ihres Wahlrechts hat. Bei elektronischen Wahlen sind die Grundsätze des freien, geheimen und persönlichen Wahlrechts umstritten – kurz gesagt.

Eine wesentliche Komponente eines E-Voting-Systems ist die eingesetzte Software zum Verarbeiten der Stimmen. Bei Software jeglicher Art kann allerdings nie 100%ige Fehlerfreiheit gewährleistet werden. Es kann sich immer ein beabsichtigter oder unbeabsichtigter Fehler in die Programmierung der Software einschleichen. Ebenso kann auch die Hardware beeinträchtigt werden, man denke nur an Ausfall durch Spannungsspitzen oder Bit-Flips durch kosmische Strahlung, geschweige denn absichtliche Attacken

Zum einen ergibt sich beim E-Voting das generelle Problem der Transparenz. Die Maschine – eine Blackbox – tut etwas, das selbst für Techniker nicht direkt erkennbar ist. Es können sich beabsichtigte, wie auch unbeabsichtigte Fehler eingeschlichen haben, die auch durch strenge Qualitätskontrollen schlüpfen können. Daraus ergibt sich mangelnde Manipulationssicherheit (die bei allen Computersystemen vorherrscht) und eine nicht überprüfbare technische Implementierung.

Ein anderes Problem bei jeder Art von E-Voting-Systemen ist die sogenannte Retail vs. Whole Sale Fraud. Bei einem sogenannten Whole Sale Angriff kann nur eine einzige Person das gesamte Wahlergebnis manipulieren. Im Vergleich dazu kann bei einem dezentralen Retail Angriff nur einige wenige Maschinen in einer kurzen Zeit manipuliert werden, wie auch bei unserer jetzigen Papierwahl.

Ein großes Problem bei Internetwahlen (wie auch bei jeder anderen Form von Distanzwahlen) ist der Stimmenkauf. Der Wähler oder die Wählerin gibt seine oder ihre Stimme in einer nicht von der Wahlkommission kontrollierten Umgebung ab. Bei den erst kürzlich eingeführten Briefwahlen, für die die Bundeswahlbehörde bei den Big Brother Awards 2008 nominiert wurde, gab man dem allgemeinen Wahlrecht zugunsten des freien, geheimen und persönlichen Wahlrechts den Vorzug.

E-Voting wird oft fälschlicherweise mit E-Banking oder anderen Online-Anwendungen verglichen, allerdings hinkt der Vergleich massiv, da bei E-Voting im Gegensatz zu allen anderen Internet-Applikationen eines gewährleistet werden muss: auf der einen Seite Kontrolle über den Benutzer (Identifikation, Authentizierung etc.) und auf der anderen Seite Anonymität (geheimes, freies Wahlrecht). Kurz gesagt: Beim Online-Banking kann man jederzeit den Geldfluss nachverfolgen, beim E-Voting kann man und darf das nicht, da die Stimme anonym abgegeben wird. Man muss sich auf das System 100% verlassen können, ohne eine Möglichkeit der Nachvollziehbarkeit zu haben.

Das heutige Papierwahl-System überzeugt und besticht mit seiner Einfachheit. Man kann die Schritte, die für jeden verständlich sind, selbst einem Volkschüler erklären. Es ist ein durchdachtes, bewährtes System mit einem bestimmten Ablauf mit mehreren Kontrollfunktionen. Es ist transparent, da es auch Wahlbeisitzer und Wahlbeobachter einbezieht. Jeder, auch Leute ohne technisches Wissen, können sich vor, während und bei der Wahl von der Korrektheit überzeugen (außer bei der Auszählung, die ist unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Ö – hier sind die designierten Beisitzer das Kontrollorgan).

Eine weitere Frage ist die generelle Motivation warum E-Voting in Österreich überhaupt eingesetzt werden soll. Wieso ein bestehendes vertrauenswürdiges System ersetzen, das funktioniert? Kostenersparnis und Erhöhung der Wahlbeteiligung werden oft als Argument geliefert, allerdings wurden beide Punkte bereits durch Studien entkräftet. Es gibt allerdings eine sehr hohe Motivation eine Killer Applikation für die an schwacher Verbreitung kränkelnden Bürgerkarten zu schaffen – und das könnte eine E-Voting-Anwendung werden.

Noch Fragen? :)

16 Antworten zu Was ist E-Voting?

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  6. Lazy Jones schreibt:

    Ihr habt vergessen zu erwähnen, daß dasselbe politische Lager, das jetzt so großes Interesse an E-Voting hat, sich auch dafür einsetzt, dem von ihm geführten und politisch besetzten Innenministerium und der weisungsgebundenen Exekutive ein Mittel in die Hand zu geben um jederzeit unbemerkt Zugriff auf private PCs zu erlangen und diese zu manipulieren.

    Irgendwer wird sich schon etwas dabei gedacht haben, hm? Lieber öffentlich wählen als heimlich eine gefälschte E-Stimme untergejubelt bekommen …

  7. Pingback: Weitere Stellungnahmen zu den elektronischen ÖH-Wahlen « papierwahl.at - Kritik an E-Voting

  8. Stefan Schridde schreibt:

    video kill the radiostar. mir scheint, hier wird einer schimäre nachgelaufen. grundsätzlich wurde das wahlrecht geschaffen, um den gesellschaftlichen prozess der willensbildung und entscheidungsfindung in aller öffentlichkeit zu ermöglichen. dabei sollten repressionen durch die „oberen“ reduziert werden.

    das internet bietet heute die chance, der öffentlichen meinung eine breitere basis zu verschaffen. e-voting dienst zunächst dazu, in verbindung mit zahlreichen anderen tools und verfahren, der öffentlichen meinung einen transparenten many-to-many prozess der willensbildung und entscheidungsfindung zu ermöglich. gerne wählt weiterhin volkstreter in papierwahl, doch bitte beschädigt nicht diese entwicklung, die dem volk endlich einblick verschafft.

    digitalisierte willensbildungs- und entscheidungsverfahren ermöglichen den kollektiven widerstand gegen die herrschaftsinstrumente der analogen systeme. in den bisherigen verfahren steckt stets die möglichkeit durch trägheit und korruption den willensbildungs- und entscheidungsprozess intransparent und nicht nach vollziehbar zu gestalten.
    also besser kreativ verwendung und zielführenden einsatz der neuen verfahren, als deren schlichte ablehnung aus einseitiger motivation. wir brauchen eine sinnfällige kombination von paperwahl und e-voting.

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